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28. März 2024

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Drogenkonsum bleibt konstant

Drogenkonsum bleibt konstant© Pexels.com/ Alexander Krivitskiy

Abwasseranalysen der Gerichtsmedizin Innsbruck zeigen keine Zunahme des Drogenkonsums in Österreich. Cannabis wird am häufigsten konsumiert. Kokain im Westen verbreiteter als im Osten, bei Amphetaminen genau umgekehrt.

(red/mich/cc) Das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) ist Teil des europaweiten Netzwerkes SCORE, das in Zusammenarbeit mit der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) jährlich die Mengen einzelner verbotener Substanzen in den Abwässern europäischer Städte untersucht (economy berichtete). 2019 wurden europaweit die Abwässer von 100 Kläranlagen in 86 Städten und Regionen analysiert, darunter auch die Abwässer von acht österreichischen und zwei Südtiroler Kläranlagen. Mittels dieser Untersuchungen lassen sich valide Aussagen über den Drogenkonsum von über 920.000 Menschen treffen, so die Uni Innsbruck in einer Aussendung.

GMI als Kompetenzzentrum für Drogen- und Abwasseranalytik
Bezogen auf die Einwohnerzahl waren Graz, Innsbruck und Bozen mit jeweils über 100.000 Bewohner die größten untersuchten Gemeinden. Mit der Analyse durch die GMI nimmt Österreich seit 2016 am europäischen Drogen-Monitoring teil. Seit Beginn an sind die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) Projektpartner der GMI. Durch Unterstützung des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes (ÖWAV) konnten die Untersuchungen nun auf insgesamt 10 Kläranlagen ausgeweitet werden, was zusätzliche Vergleichsmöglichkeiten schafft.

Das Innsbrucker Labor nimmt auf Grund seiner Expertise als einzige Einrichtung Österreichs am SCORE-Programm teil. „Besonders stolz sind wir auf den Umstand, dass die Ergebnisse unserer chemischen Analysen von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon für den europäischen Drogenbericht verwertet werden“, betont Herbert Oberacher, Leiter des forensisch-toxikologischen Forschungslabors an der von Richard Scheithauer geführten Innsbrucker Gerichtsmedizin. Mit letztaktuellen Analyseverfahren kann die Zusammensetzung von Abwässern im GMI-Labor exakt entschlüsselt werden und der Drogenkonsum von zumindest 9 Prozent der österreichischen, 30 der Tiroler, 29 der Steirer, 18 der Vorarlberger, 8 der Kärntner und 40 Prozent der Südtiroler Bevölkerung abgebildet werden.   

Abwasserexperten unterstützen Spurensuche
Für die Durchführung der Abwasseranalytik gibt es zwischen GMI und der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) eine Partnerschaft: „Wir betreiben die Kläranlage Innsbruck, in der die Abwässer von Innsbruck und 14 Umlandgemeinden zusammenfließen und stellen der GMI Abwasserproben als wichtige Informationsquellen für deren Analyse zur Verfügung,“ erläutert Helmuth Müller Vorstandsvorsitzender der IKB.

Die Analyse der einzelnen Konsummarker (Drogen bzw. deren Stoffwechselprodukte) erfolgt schließlich im Labor der GMI. Im Fokus standen die Suchtgifte Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff in Cannabis), Kokain, Amphetamin (Wirkstoff in „Speed“ bzw. Aufputschmittel), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, Wirkstoff in Ecstacy) und Methamphetamin (Wirkstoff in Crystal Meth).
 
Regionale Unterschiede und zeitliche Trends
In jeder der untersuchten Regionen war Cannabis die dominierende Droge. In Städten wird dabei tendenziell mehr Cannabis konsumiert, als im ländlichen Raum. Der höchste Pro-Kopf-Verbrauch an THC war dabei in Innsbruck zu messen. Im Gegensatz dazu wiesen Graz und Bozen vergleichsweise niedrigere THC-Pro-Kopf-Konsummengen auf. Das meistkonsumierte Stimulans war Kokain. „Bei Kokain sahen wir von 2016 bis 2018 eine jährliche Steigerung. Aber wie bei Cannabis und den anderen Suchtmitteln verzeichnen wir nun auch bei Kokain keinen weiteren Anstieg mehr im Jahresvergleich“, beschreibt Oberacher die Trendumkehr.

Der Kokainkonsum ist in Westösterreich sowie in Südtirol – hier liegt Bozen mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch vorne – höher als im Osten. Bei Amphetamin ist das Bild genau umgekehrt, hier wird im Osten mehr konsumiert als im Westen Österreichs und Südtirol. Der höchste Pro-Kopf-Verbrauch an Amphetamin wurde in Kapfenberg beobachtet. „Diese Ost-West-Gefälle dürften mit der geographischen Lage Österreichs erklärbar sein. Auf Gesamteuropa bezogen wird Kokain bevorzugt im Süd-Westen und Amphetamin im Nord-Osten konsumiert. Österreich liegt genau dazwischen“, erläutert Oberacher. 

Partydrogen und Stimmigkeit der Analysen für nachhaltige Drogenpolitik
In allen Regionen war der MDMA-Konsum 2019 niedriger als jener von Kokain und Amphetamin, relevante Mengen an Methamphetamin werden de facto nicht umgesetzt. Die Methodik der Abwasseranalyse erlaubt auch die Nachzeichnung eines Wochenverlaufs beim Konsummuster. „In den meisten Regionen lassen sich für das Wochenende höhere Kokain-, Amphetamin- und MDMA-Konzentrationen nachweisen, als an anderen Wochentagen. Daraus lässt sich schließen, dass diese Substanzen vor allem als Partydrogen Verwendung finden“, so Oberacher.

Die Ergebnisse aus Österreich und Südtirol wurden im Rahmen der SCORE Studie mit jenen von weiteren 77 europäischen Städten bzw. Regionen verglichen. Dabei zeigte sich, dass die von der GMI untersuchten Abwässer bei allen analysierten Substanzen Plätze im internationalen Mittelfeld einnahmen. Für die qualitative Stimmigkeit der Untersuchung spricht auch, dass die Ergebnisse der Abwasseranalyse weitgehend mit anderen Kennzahlen des Drogenmarktes wie Anzeigen im Rahmen des Suchtmittelgesetzes oder Sicherstellungen von illegalen Substanzen korrelieren.
 
Durch ein kontinuierliches Monitoring von Drogenwirkstoffen im Abwasser lassen sich einfach, kostengünstig, rasch und mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung Trends und Entwicklungen am Drogenmarkt erkennen. Die erhobenen Daten würden staatlichen Behörden und politischen Verantwortungsträgern Entscheidungshilfen für eine nachhaltige Drogenpolitik liefern: „Die Erfahrungen, die wir über die letzten Jahre mit dem Abwasser basierten Drogenmonitoring gesammelt haben, zeigen das große Potenzial der Methode. Daher hoffen wir auf die notwendige politische Unterstützung, um das Monitoring in Zukunft auf noch mehr österreichische Regionen ausdehnen zu können“, resümiert Herbert Oberacher vom forensisch-toxikologischen Forschungslabor der Innsbrucker Gerichtsmedizin.

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red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 04.05.2020