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29. März 2024

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Technologie und Forschung ist zunehmend auch weiblich

Technologie und Forschung ist zunehmend auch weiblich© Pexels.com/ThisIsEngineering3862130

Frauen sind in den Bereichen Technologie und Forschung teilweise massiv unterrepräsentiert. Am Software Competence Center Hagenberg beträgt die Frauenquote aktuell 25 Prozent. Drei Forscherinnen erläutern ihren Werdegang.

(Christian Czaak) Frauen sind in vielen Bereichen der Forschung immer noch unterrepräsentiert. Vor allem in den technischen Fächern und in der IT aber auch in Mathematik und Physik besteht weiblicher Aufholbedarf gegenüber männlichen Kollegen. Am oberösterreichischen Software Competence Center Hagenberg (SCCH) arbeiten rund 90 Forscherinnen und Forscher aus 16 Nationen in einem interkulturellen und interdisziplinären Team zusammen. Die Frauenquote beträgt mittlerweile 25 Prozent. Gemeinsam mit dem SCCH stellt economy drei Forscherinnen und ihren Werdegang vor.

Lisa Ehrlinger und die nicht geförderten Interessen junger Mädchen
Lisa Ehrlinger hat „klassisch“ Informatik an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) studiert. Interesse und Faszination an der Informatik ist bei ihrem ersten beruflichen Engagement nach der Matura entstanden, wo sie in einer IT Abteilung verschiedene Bereiche von Anwendungsentwicklung bis Server- und Netzwerkadministration kennenlernte. Um ein breites Fachwissen zu erwerben, folgte das Studium und parallel ein Job als Software Engineer bei Firmen wie Dynatrace und Catalysts.

2016 kam sie an das SCCH, wo sie mittlerweile als Senior Researcherin im Bereich Data Science für die inhaltliche Ausrichtung und Weiterentwicklung des Forschungsfokus „Datenmanagement und Datenqualität“ zuständig ist. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ist dabei das Thema „Big Data Processing“ im Kontext mit automatischer und kontinuierlicher Überwachung der Datenqualität in realen Informationssystemen. Aktuell ist sie Leiterin im Projekt „Sebista“ (Secure Big Stream Data Processing), ein Projekt mit zwei Industriepartnern aus der Forschungsprogrammlinie Comet.

Die Weichenstellung durch die Schulwahl
„Wir versuchen hier ein einheitliches Datenmodell als Basis für die qualitative Auswertung mittels Machine Learning Algorithmen aufzubauen. Datenqualität halte ich dabei für die Grundvoraussetzung, um mittels Deep Learning und Künstliche Intelligenz (KI) hochqualitative Erkenntnisse zu generieren. Dieses Thema wird in Zukunft massiv an Relevanz zunehmen", sagt Ehrlinger, die parallel gerade ihre Doktorarbeit fertig stellt.

Zum Thema Frauen in Technologie und Forschung meint Ehrlinger: „Ich denke, man sollte Frauen motivieren, etwas Technischen einfach auszuprobieren und sie nicht davon abhalten. Da muss man sicher schon lange vor dem Studium anfangen, denn die Weichen werden oftmals bereits durch die Schulwahl gelegt. Vor allem im Kindesalter und bei jungen Mädchen wird oft hinterfragt, ob etwas Technisches tatsächlich das Richtige für das Kind sei. Ich denke, dass sehr viel mehr Interesse dafür vorhanden wäre, das aber nicht gefördert wird. Hier sollte man ansetzen“, betont Lisa Ehrlinger.

Verena Geist und der explodierende Computer von Muttern
Verena Geist saß schon als Volksschülerin am liebsten vor dem Computer ihrer Eltern. Dass dieser eines Tages explodierte, war dann eine Art Initialzündung. Parallel war Mathematik ihr Lieblingsfach und so war es für Geist naheliegend programmieren zu lernen. Es folgt das Studium „Software Engineering für Medizin“ an der FH Hagenberg und ein fertiges Doktorat an der Johannes Kepler Universität (JKU). Dieses schloss Geist am Institut für Anwendungsorientierte Wissensverarbeitung „sub auspiciis“ ab - was vor ihr erst 5 Frauen an der JKU gelungen ist.

Am SCCH ist sie seit 2005 als Industrial Researcherin im Bereich Software Science tätig, ein Bereich, wo es um die Entwicklung von Softwaresystemen geht. Geist ist mittlerweile leitende Forscherin (Key Researcherin) für Prozessorientierte Systeme und sogenannte Knowledge Graphs. Ihr spezieller Fokus liegt dabei auf den formalen Grundlagen für die Modellierung von Geschäftsprozessen.

Nur nicht zu schnell aufgeben
„Dabei wird implizites Wissen explizit sichtbar gemacht - also wann wer welche Informationen wie an wen weitergibt. Unser Ziel ist es, Wissen quasi aus den Köpfen der Menschen in ein Softwaresystem zu übertragen, um es mittels Künstlicher Intelligenz automatisch für spätere Prozesse zu nutzen. In der Praxis großes Potential für Unternehmen und besonders im Zuge der Digitalisierung und Flexibilisierung der Industrieproduktion von wachsender Bedeutung“, erklärt Geist.

„Jede/r soll für sich herausfinden, wo die eigenen Stärken liegen, und sich trauen, das zu tun, was einen interessiert. Wichtig ist eine breit gefächerte wissenschaftliche Ausbildung. Bei mir hat die Arbeit am SCCH den Ausschlag für das Doktorratsstudium gegeben. Als ForscherIn braucht es Neugier, Freude am Tun und Durchhaltevermögen. Und Talent bedeutet mehr freie Ressourcen für weitere Herausforderungen. Man darf nur nicht zu schnell aufgeben“, so Geist zum Thema Frauen und technologieorientierte Forschung.

Manuela Geiß und praxisorientierte Einblicke ins Berufsleben
Manuela Geiß war schon in der Schule fasziniert von Zahlen und Logik und studierte dann in Wien Mathematik. Im Zuge des Masterstudiums hat sie sich auf Bio-Mathematik spezialisiert und nebenbei einen Bachelor in Biologie absolviert. Dabei hat Geiß die Bio-Informatik für sich entdeckt und ein Doktorat an der Uni Leipzig abgeschlossen, wo sie auch mathematische Methoden und Algorithmen für genetische Daten entwickelte und Assistentin in der Lehre war.

2019 folgt der Wechsel an das SCCH, wo Geiß seither als Researcherin und Senior Data Scientistin tätig ist und ihre Expertise im Bereich mathematischer Lernmodelle einbringt. Ein Projekt zielt etwa darauf ab aussichtsreiche Start-Ups zu identifizieren. Geiß arbeitet zudem mit Deep Learning Methoden daran, Objekte auf Bildern zu lokalisieren und klassifizieren, speziell für den Einsatz im Umfeld sogenannter Embedded Devices.

Aktiver Zugang von Firmen wie Forschungseinrichtungen auf Schulen
„Eines der wesentlichen Themen aktuell ist XAI, erklärbare Künstliche Intelligenz. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung müssen KI-Modelle nachvollziehbar und interpretierbar sein, damit Menschen Vertrauen in deren Entscheidungen haben können“, erklärt Geiß. „Abgesehen von technischen und fachlichen Kenntnissen, ist es für unsere Arbeit vor allem wichtig, dass man logisches Denken, Neugier und eine Portion Kreativität mitbringt“, erklärt Geiß.

„Man sollte schon in der Schulzeit anfangen, SchülerInnen Einblicke in Forschung und Technik zu vermitteln. Am besten in Form von Praktika, wo die SchülerInnen einen guten Eindruck vom Berufsleben bekommen. Auch Vorträge von ForscherInnen können Interesse wecken oder bestehende Barrieren abbauen. Generell sollten Firmen wie Forschungseinrichtungen viel aktiver auf Schulen zugehen, um MINT-Themen mehr in den Fokus zu rücken, Kontakte herzustellen und den Zugang zu entsprechenden Berufen zu erleichtern“, so Geiß zum Thema Frauen und Forschung.

Vernetzung von Bildung, Forschung und Wirtschaft
Das im oberösterreichischen Hagenberg angesiedelte Software Competence Center Hagenberg (SCCH) ist ein unabhängiges Forschungszentrum und zählt zu den Beteiligungsgesellschaften der Upper Austrian Research GmbH, der Leitgesellschaft für Forschung des Landes OÖ. Seit der Gründung des SCCH im Jahr 1999 setzt das COMET K1-Kompetenzzentrum auf anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung im seinerzeit von Bruno Buchberger gegründeten Softwarepark Hagenberg.

Data & Software Science steht im Zentrum von Forschung und angewandten Projekten. Die enge Kooperation mit der Johannes Keppler Universität als Gründungspartner und weiteren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft machen das SCCH zu einem österreichweiten Best Practice Modell für die Vernetzung von Bildung, Forschung und Wirtschaft. Die SCCH-Schwerpunkte Software für die Produktion und intelligentes Datenmanagement spielen für die Digitale Transformation von Betrieben und Verwaltung eine immer größere Rolle.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 08.03.2021