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18. April 2024

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Seuchen haben auch positive Seiten

Seuchen haben auch positive Seiten© Pexels.com/Jeswin Thomas

Die Corona-Pandemie hat das Leben dramatisch verändert. Menschen verdanken Seuchen aber auch einige Errungenschaften. Die Historikerin Daniela Angetter-Pfeiffer von der Akademie der Wissenschaften hat darüber nun ein Buch geschrieben.

(red/mich/cc) Die alte Normalität wird nicht wieder restlos zurückkehren. Wie wir leben, lernen, arbeiten, kommunizieren und konsumieren, hat sich durch die Corona-Pandemie bereits dauerhaft verändert. Das hat einschneidende und oftmals dramatische Seiten – aber auch positive. Corona hat etwa für einen regelrechten Digitalisierungsschub gesorgt, es wird weniger klimaschädlich geflogen und gependelt.

Stattdessen werden Videokonferenzen und Homeoffice genutzt, Therapiegespräche online geführt und auch Gerichtsverhandlungen. Und dank Mund-Nasen-Schutz, Händewaschen und Social Distancing gab es zuletzt einen nahezu grippefreien Winter.

Lehrreiche Seuchen Pest und Cholera
Weniger bekannt, dass Seuchen auch Innovationen anregen – als eine Art nichtbeabsichtigter positiver Nebeneffekt. „Pandemien haben immer viel Leid über die betroffene Bevölkerung gebracht. Aber gerade die negativen Erfahrungen bewirkten innovative Lösungen, die in der Seuchenbekämpfung nützlich waren“, sagt Daniela Angetter-Pfeiffer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Wie lehrreich historische Seuchen wie Pest und Cholera waren und welche gesellschaftlichen Errungenschaften sie in der Vergangenheit hervorgebracht haben, behandelt die Historikerin nun in Ihrem neuen Buch „Pandemie sei Dank!“, erschienen im Amalthea Verlag. Sie zeigt anhand ausgewählter historischer Beispiele, was Seuchen in Österreich bewegten.
 
Trinkwasserqualität, Kanalisation und sozialer Wohnbau
„Wien verdankt der Pest ihr erstes Stadtgesundheitskonzept sowie eine Vorform der heutigen MA 15, den Stadt Wien Gesundheitsdienst,“ so eine Passage im Buch. „Aktuelle Pandemie-Maßnahmen wie Quarantäne, Lockdowns, das Tragen von Masken und Social Distancing waren bereits seit dem Mittelalter, teils sogar schon in der Antike bekannt“, so die ÖAW-Forscherin Angetter-Pfeiffer.
 
Ebenfalls Lerneffekte ausgelöst haben Cholera, Typhus und Ruhr: Müllabfuhr, Kanalisation und Stadtreinigung und bewirkten, dass Wiens Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser versorgt wurde. Als wichtige Maßnahme gegen Tuberkulose, Spanische Grippe und Syphilis, die in überfüllten Mietwohnungen und Notunterkünften grassierten, können auch der soziale Wohnbau und verwandte Einrichtungen im Roten Wien der Zwischenkriegszeit gesehen werden. Die Stadt profitiert bis heute davon.

Gratisschutzimpfung als frühe Errungenschaft
„Waren es in der Geschichte Impulse zur Verbesserung von Stadthygienekonzepten, zu Impfkampagnen oder zu einer verbesserten Trinkwasserqualität, so sind es heute vor allem Veränderungen im beruflichen, familiären Umfeld oder auch im medizinischen Bereich“, unterstreicht die Buchautorin die zahlreichen Errungenschaften rund um Seuchen aus Österreichs Geschichte.
 
Das inkludiert auch das Thema Impfen, wo es nicht erst seit Corona Vorbehalte gibt. Die von Maria Theresia im 18. Jahrhundert eingesetzte Pockenschutzimpfung für die Bevölkerung, wurde schon damals nicht von allen mitgetragen. „Dass die Pocken letztlich mit Hilfe der Impfung besiegt werden konnten, ist als bedeutendes Beispiel für die Wirksamkeit von Immunisierung zu verstehen, thematisiert aber auch gleichzeitig die Frage nach Freiwilligkeit oder Impfpflicht“, so Angetter-Pfeiffer.
 
Erste Pestkommission kam aus Österreich
Als interessantes wissenschaftsgeschichtliches Detail spürt Angetter-Pfeiffer in einem Kapitel der Geschichte der Pestforschung in Österreich nach. Im Jahr 1897 beschloss die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien (Anm. Vorgängerin der heutigen ÖAW) eine sogenannte Pestexpedition nach Bombay. Ziel waren klinische Beobachtungen von Erkrankten vor Ort und, zurück in Wien, im Labor mehr über den Infektionsmodus zu erfahren.
 
Österreich war damit das erste Land, das eine Pestkommission entsandte. „Weitere Kommissionen folgten erst danach aus Deutschland und Russland, darunter mit dem Bakteriologen Robert Koch als Teilnehmer“, so die Historikerin Daniela Angetter-Pfeiffer. Wie dann die Geschichte der ersten Pestkommission endete, kann ebenfalls im Buch nachgelesen werden. „Pandemie sei Dank! Was Seuchen in Österreich bewegten“ von Daniela Angetter-Pfeiffer, erschienen im Amalthea Verlag, Wien.

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red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 21.09.2021