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29. März 2024

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Europaweiter Anstieg der Insolvenzen

Europaweiter Anstieg der Insolvenzen © pexels/mart production

Inflation, Energiemangel und weitere gesamtwirtschaftliche Probleme haben die Unternehmensinsolvenzen in Europa deutlich ansteigen lassen. Besonders betroffen ist der Handel, so eine Analyse von Creditreform

(red/czaak) Im Jahr 2022 wurden in Westeuropa (EU-14, Großbritannien, Schweiz und Norwegen) in Summe 139.973 Firmeninsolvenzen registriert. Gegenüber 2021 mit 112.686 Fällen war das ein Plus von knapp über 24 Prozent. In Osteuropa nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 53,5 Prozent zu, so die Daten der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss.

Generell hatten europäische Unternehmen im vergangenen Jahr zahlreiche Belastungen zu schultern. Dazu zählte der massive Preisanstieg beispielsweise bei Energie und Rohstoffen und die deutlich höheren Finanzierungskosten aufgrund der von den Zentralbanken eingeleiteten Zinswende. Im Jahresverlauf 2022 schwächte sich auch die Konjunktur spürbar ab.

Steigende Insolvenzzahlen spiegeln zum Teil auch Nachholeffekte
„Das Ende der Corona Pandemie war der Beginn eines kurzen Wirtschaftsaufschwungs in Europa, bevor er durch den Krieg in der Ukraine wieder abgewürgt wurde. Die folgende Energiekrise traf die Wirtschaft praktisch unvorbereitet und mit voller Wucht. Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss.

In den steigenden Insolvenzzahlen der letzten zwölf Monate spiegelten sich zum Teil auch Nachholeffekte. Dennoch wurde das Vor-Corona-Niveau bei den Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa noch nicht wieder erreicht. „Der Anstieg der Insolvenzzahlen in Europa im Jahr 2022 folgte auf zwei Jahre mit extrem niedrigen Zahlen. Die Insolvenzentwicklung ist somit auch eine Art Normalisierung“, sagt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer bei Creditreform Österreich.

In Westeuropa stiegen die Insolvenzzahlen in der Mehrzahl der betrachteten Länder. Einen deutlichen Anstieg verzeichneten Österreich (plus rund 60 Prozent), gefolgt von Großbritannien (plus 56 Prozent), Frankreich (plus 50 Prozent) und Belgien (plus 41,7 Prozent). Auch in der Schweiz, in Irland, den Niederlanden, in Spanien, Norwegen, Finnland, Schweden und Deutschland nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu. Ein Rückgang der Fallzahlen wird aus Dänemark, Luxemburg, Portugal, Italien und Griechenland gemeldet.

Deutlich mehr Pleiten im Handel und Insolvenzwelle in Osteuropa
In allen Hauptwirtschaftsbereichen nahmen die Insolvenzzahlen zu. Einen deutlichen Anstieg verzeichnete dabei der Handel (inkl. Gastgewerbe) mit einem Plus von 35 Prozent, gefolgt vom Baugewerbe mit plus 25 Prozent. Um knapp 20 Prozent erhöhten sich die Fallzahlen im Dienstleistungssektor und um 13 Prozent im Verarbeitenden Gewerbe. „Ursächlich für den spürbaren Anstieg der Insolvenzen vor allem im Handel dürften die Folgen der schweren Corona-Zeit sein. Dazu kommt die Konsumzurückhaltung infolge der Rekordinflation“, so Weinhofer.

Die Energiekrise habe aber alle Wirtschaftsbereiche erfasst und 2022 zu der Dynamisierung des Insolvenzgeschehens geführt. In Osteuropa setzte sich der Anstieg der Insolvenzzahlen fort. Sieben der untersuchten zwölf Länder verzeichneten 2022 mehr Fälle. Besonders deutlich war der Anstieg in Ungarn, Bulgarien und Litauen. Insgesamt wurden in Osteuropa 60.010 Unternehmensinsolvenzen registriert. Der Vorjahresstand (2021: 39.095 Fälle) wurde deutlich übertroffen. Auch in der Türkei stiegen die Insolvenzzahlen deutlich auf 24.303 Fälle an (plus 41 Prozent).

Bilanzkennzahlen zeigen leichte wirtschaftliche Erholung
„Die Bilanzkennzahlen zeigen eine leichte wirtschaftliche Erholung der Unternehmen in Westeuropa“, erläutert Hantzsch. Deutlich weniger Unternehmen würden eine negative Gewinnmarge aufweisen. So verzeichneten noch 21 Prozent der Unternehmen im Jahr 2021 ein negatives EBIT (Vorjahr: 27 Prozent). Ein Fünftel der Unternehmen erzielte eine sehr hohe Gewinnmarge von mehr als 25 Prozent. Auch die Eigenkapitalquoten haben sich etwas erholt. Der Anteil der Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent stieg um einen Prozentpunkt auf 47 Prozent an.

Der Anteil der Unternehmen mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote verringerte sich hingegen auf 22 Prozent. „Trotz der wieder besseren Ergebnisse spiegeln die Unternehmensbilanzen noch die negativen Auswirkungen der Corona-Zeit. Die schwache Unternehmensstabilität ist Angriffspunkt für die nächste Krise“, so Hantzsch weiter. Zurückgehende Forderungslaufzeiten würden Lieferanten und Leistungserbringer wieder schneller Liquidität verschaffen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 30.05.2023