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18. März 2025

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Sexting und Sextortion und Cyber-Grooming

Sexting und Sextortion und Cyber-Grooming© Pexels.com/cottenbro

Jugendliche zunehmend von sexueller Belästigung im Internet betroffen. Soziale Netzwerke, Messengerdienste und Onlinespiele Orte der Übergriffe. Initiative Saferinternet präsentiert neue Studie.

(red/czaak) Jugendliche sind im Internet regelmäßig mit sexueller Belästigung konfrontiert. Anzügliche Kommentare, intime Fragen oder die Aufforderung, Nacktbilder zu schicken: 38 Prozent der Jugendlichen waren bereits zumindest einmal mit sexueller Belästigung im Internet konfrontiert. Erschreckende zehn Prozent geben an, oft betroffen zu sein. Sogar bei den 11- bis 14-Jährigen sind bereits mehr als ein Viertel (28 Prozent) betroffen. Bei der älteren Altersgruppe, den 15- bis 17-Jährigen, sind es schon 51 Prozent.

Hälfte der weiblichen Jugendlichen und rund ein Viertel der männlichen Jugendlichen
Während mehr als die Hälfte der weiblichen Jugendlichen solche Erfahrungen gemacht hat, ist rund ein Viertel der männlichen Jugendlichen davon betroffen. Etwa die Hälfte aller Befragten geht davon aus, dass bereits Kinder im Volksschulalter online von sexueller Belästigung betroffen sind. In erster Linie finden die Übergriffe in sozialen Netzwerken statt, gefolgt von Messengern und Onlinespielen. Beunruhigend ist, dass knapp ein Drittel der Befragten sexuelle Belästigung im Internet als normal beurteilt. Viele der befragten Jugendlichen bezeichnen solche Erfahrungen als „Teil der digitalen Lebenswelt“. 

Das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT), die Internet Service Providers Austria (ISPA) und Rat auf Draht präsentierten kürzlich im Rahmen der EU-Initiative Saferinternet eine Erhebung über sexuelle Belästigung im Internet. 405 österreichische Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren wurden dafür befragt.

Viel Unsicherheit bei Jugendlichen zu Themen Sexting und Nacktbilder
Der Austausch von Nacktbilden kann für Jugendliche Teil ihrer selbstbestimmten Sexualität sein. Dies passiert jedoch nicht immer freiwillig oder einvernehmlich. 42 Prozent der Befragten haben in ihrem Umfeld bereits wahrgenommen, dass Nacktfotos ohne Zustimmung weitergeschickt oder veröffentlicht wurden. Fünf Prozent geben an, davon selbst betroffen zu sein. Auf Nachfrage sind sich viele Betroffene unsicher, ob die Entscheidung tatsächlich freiwillig war. Einige sagen sogar, dass sie die Aufnahmen nicht freiwillig verschickt haben.

„Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass es vielen Kindern und Jugendlichen schwerfällt, ihre persönlichen Grenzen aufzuzeigen und Nein zu sagen“, erklärt Barbara Buchegger, Pädagogische Leiterin von Saferinternet. Sechs Prozent der Befragten geben an, schon einmal heimlich in einer intimen Situation gefilmt worden zu sein. 65 Prozent sind der Meinung, dass Kinder und Jugendliche häufig mit Nacktbildern erpresst werden, die sogenannte Sextortion.

Betroffene werden immer jünger
„Besonders viele Beratungsanfragen kommen von Sextortion-Opfern, insbesondere von männlichen Kindern und Jugendlichen. Auch werden diese immer häufiger mit KI-generierten Inhalten erpresst. Auffallend ist, dass die Betroffenen immer jünger werden“, berichtet Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht. Wenn Nacktfotos ohne Zustimmung der Abgebildeten weitergeleitet werden, kann das gravierende Folgen nach sich ziehen.

„In vielen Fällen werden die Betroffenen stigmatisiert, gemobbt und sehen einen Schulwechsel oft als letzten Ausweg, wie die Leidtragenden selbst berichten“, verdeutlicht Satke. Dennoch ist die Hälfte der Kinder und Jugendlichen der Meinung, dass Personen, die Nacktfotos von sich verschicken, selbst schuld sind, wenn diese dann weiterverbreitet werden.

Neue Broschüre klärt über strafrechtliche Konsequenzen auf
„Jugendlichen ist kaum bewusst, dass eine Verbreitung von Nacktbildern ohne Zustimmung strafrechtlich relevant sein kann“, betont Stefan Ebenberger, Generalsekretär der ISPA. „Es fehlt oft das Wissen darüber.“ Die neue Broschüre „Jugendliche und Sexualität im Internet“ von Saferinternet.at klärt über strafrechtliche Konsequenzen auf und bietet Informationen für Betroffene sowie präventive Maßnahmen.

Auf unangenehme sexuelle Fragen reagieren fast zwei Drittel der Befragten, indem sie diese ignorieren, während 57 Prozent die Personen blockieren. 39 Prozent geben an, Personen, die ihnen solche Fragen stellen, auch an die jeweiligen Plattformen zu melden. Jugendliche empfinden dieses Vorgehen aber als wenig zielführend, es gibt wenig Vertrauen in das Meldeverfahren. Im Kontext mit der EU-Verordnung Digital Services Act gehen die Plattformen dann gegen sexuelle Belästigung vor.

Verantwortung von Eltern und Schule
Wie notwendig umfassende Präventionsmaßnahmen sind, wird ebenso durch die Studie untermauert. Saferinternet unterstützt etwa mit Präventionsworkshops und zahlreichen Informationsmaterialien. Rat auf Draht bietet kostenlose Beratung auf der gleichnamigen Internet-Plattform und unter der Notrufnummer 147 an. „Es ist essenziell, dass Jugendliche lernen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und sich zu schützen. Gleichzeitig müssen wir Erwachsene als Ansprechpersonen stärken“, betont Barbara Buchegger.

Nur zehn Prozent der Befragten reden mit jemandem über ihre Erfahrungen. „Für Eltern bedeutet das zunächst, anzuerkennen, dass Sexualität auch im Internet ein Teil des Lebens von Jugendlichen ist. Sie sind gefordert, ihre Kinder ernst zu nehmen und ihr Selbstvertrauen zu stärken, damit diese nicht ausschließlich auf Anerkennung aus dem Netz angewiesen sind“, so Buchegger weiter.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 14.02.2025