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12. Juni 2025

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Begründungen zum aktuellen Zinsentscheid der EZB

Begründungen zum aktuellen Zinsentscheid der EZB© Pexels.com/mikhail nilov

EZB-Rat senkt Leitzinssätze um jeweils 25 Basispunkte. Basis ist aktuelle Beurteilung der Inflation, geldpolitische Transmission und schwierige Wirtschaftslage. EZB-Präsidium veröffentlicht dazu umfassende Erläuterungen.

(red/czaak) Der EZB-Rat hat beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 25 Basispunkte zu senken. „Der Beschluss zur Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität – der Zinssatz zur Steuerung des geldpolitischen Kurses – spiegelt die aktualisierte Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission wider“, zitiert die EZB in einer Aussendung Christine Lagarde (Präsidentin der EZB) und Luis de Guindos (Vizepräsident der EZB).

Economy übermittelt nachfolgend die Erläuterungen des EZB-Präsidiums im Original.

Das Thema Risikobewertung
„Die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum haben sich erhöht. Die deutliche Verschärfung der Spannungen im Welthandel und die damit verbundenen Unsicherheiten dürften im Euroraum niedrigerem Wachstum führen, in dem sie Exporte dämpfen. Sie könnten zudem Investitionen und Konsumausgaben bremsen. Die sich verschlechternde Stimmung an den Finanzmärkten könnte zu restriktiveren Finanzierungsbedingungen, einer größeren Risikoaversion und bei Unternehmen und privaten Haushalten zu einer geringeren Investitions- bzw. Konsumbereitschaft führen“.

„Auch geopolitische Spannungen, zu denen etwa der ungerechtfertigte Krieg Russlands gegen die Ukraine und der tragische Konflikt im Nahen Osten zählen, stellen nach wie vor eine große Unsicherheitsquelle dar. Zugleich würde eine Aufstockung der Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben das Wachstum beschleunigen“.

„Diese zunehmenden Störungen im Welthandel führen zu mehr Unsicherheit bei den Inflationsaussichten im Euroraum. Weltweit sinkende Energiepreise und eine Aufwertung des Euro könnten zusätzlichen Abwärtsdruck auf die Inflation ausüben. Dies könnte durch eine geringere Nachfrage nach Exporten des Euroraums aufgrund von höheren Zöllen sowie durch eine Umleitung von Exporten aus Ländern mit Überkapazitäten in den Euroraum verstärkt werden. Negative Reaktionen der Finanzmärkte auf die Handelsspannungen könnten die Binnennachfrage belasten und damit auch zu einer niedrigeren Inflation führen“.

„Eine Fragmentierung der globalen Lieferketten hingegen könnte die Importpreise in die Höhe treiben und dadurch zu einem Anstieg der Inflation führen. Auch eine Erhöhung der Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben könnte die Inflation auf mittlere Sicht ansteigen lassen. Extremwetterereignisse und die fortschreitende Klimakrise allgemein könnten dazu führen, dass die Nahrungsmittelpreise stärker steigen als erwartet“.
Finanzielle und monetäre Bedingungen

„Die risikofreien Zinssätze sind infolge der sich verschärfenden Handelsspannungen gesunken. Weltweit sind die Aktienkurse bei hoher Volatilität gefallen und die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen gestiegen. Der Euro hat in den letzten Wochen zugelegt, da sich die Anlegerstimmung gegenüber dem Euroraum robuster erwies als gegenüber anderen Volkswirtschaften“.

„Die jüngsten offiziellen Statistiken zur Kreditaufnahme von Unternehmen, die vor diesen Marktspannungen erstellt wurden, deuteten nach wie vor darauf hin, dass die Kreditaufnahme für Unternehmen aufgrund unserer Zinssenkungen günstiger geworden war. Der durchschnittliche Zinssatz für neue Unternehmenskredite verringerte sich von 4,3 im Januar auf 4,1 Prozent im Februar“.

„Die Kosten der marktbasierten Fremdfinanzierung der Unternehmen sanken im Februar auf 3,5 Prozent. Zuletzt war jedoch ein gewisser Aufwärtsdruck zu verzeichnen. Zudem erhöhte sich die Zuwachsrate der Kreditvergabe an Unternehmen im Februar wieder und stieg auf 2,2 Prozent, während das Wachstum bei den Emissionen von Unternehmensschuldverschreibungen unverändert 3,2 Prozent betrug“.

„Zugleich haben sich die Kreditrichtlinien für Unternehmenskredite im ersten Quartal 2025 erneut leicht verschärft. Dies geht aus unserer jüngsten Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum hervor. Wie bereits im vorherigen Quartal ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass den Banken die wirtschaftlichen Risiken ihrer Kunden zunehmend Sorgen bereiten. Die Kreditnachfrage der Unternehmen nahm im ersten Quartal leicht ab, nachdem sie sich in den vorherigen Quartalen etwas erholt hatte“.

„Der durchschnittliche Zinssatz für neue Immobilienkredite, der im Februar bei 3,3 Prozent lag, hat sich vor dem Hintergrund der zuvor gestiegenen längerfristigen Marktzinssätze erhöht. Der Zuwachs bei der Vergabe von Immobilienkrediten setzte sich im Februar fort, wenn auch mit einer eher geringen jährlichen Wachstumsrate von 1,5 Prozent. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Banken ihre Kreditrichtlinien lockerten und die Nachfrage nach Krediten an private Haushalte weiterhin kräftig zunahm“.
Die Schlussfolgerungen

„Als EZB sind wir entschlossen, für eine nachhaltige Stabilisierung der Inflation bei unserem mittelfristigen Zielwert von 2 Prozent zu sorgen. Insbesondere in der gegenwärtigen Situation, die von außergewöhnlich hoher Unsicherheit geprägt ist, wird die Festlegung des angemessenen geldpolitischen Kurses von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen. So werden unsere Zinsbeschlüsse auf unserer Beurteilung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren“.

„Wir legen uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest. Wir sind in jedem Fall bereit, alle unsere Instrumente im Rahmen unseres Mandats anzupassen, um für eine nachhaltige Stabilisierung der Inflation bei unserem mittelfristigen Zielwert zu sorgen und um die reibungslose Funktionsfähigkeit der geldpolitischen Transmission aufrechtzuerhalten“, so das EZB-Präsidium mit Christine Lagarde als Präsidentin und Luis de Guindos als Vizepräsident. (red/czaak)

Anm. Die Redaktion von economy dankt für die Zurverfügungstellung der originalen Erläuterungen des EZB-Präsidiums zu den aktuellen EZB-Beschlüssen.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 13.05.2025